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Iran-Reise mit Kindern und Familie. Eine Gute Idee?

Iran-Reise mit Kindern und Familie

Eine Iran-Reise mit den Kindern? »Herrschen da nicht nur Chaos und Mullahs?«, fragte mich mein Vater. Wir waren in den Winterferien für eine Woche mit unseren Kindern im Iran und wollen Euch erzählen, wie es uns ergangen ist. Vorab, es war für uns alle eine etwas andere Erfahrung: Für mich als Mann, für Anna die immer ein Kopftuch tragen musst und für unsere Kinder weil …. ach. Lest doch einfach selbst.

TOM // Ich las ein bisschen Bücher über Irans Politik und Geschichte, Du kanntest Iran-Stories von Deinen Freunden – aber eine Reiseplanung hatten wir nicht wirklich – oder?

ANNA //  Jain. In den letzten fünf Jahren hörte von Freunden immer wieder wie extrem gastfreundlich die Iraner ist: »Das ist genau das richtige Land für Eure Familie!“«, sagten sie. Und bei all den verschiedenen Ländern die wir in den letzten Jahren besucht haben – Vanuatu, Toga oder Guatemala – was soll da im Iran noch schief gehen.

Ein Land auf unsere To-Do-Liste, Flüge für 300 Euro Berlin–Teheran (Ukrainian Airlines) für die ganze Familie und das noch in den Winterferien. Wie kann man da nicht buchen? Und nach den letzten Wochen mit Buch redigieren, den ganzen Flüchtlings-Aktionen, wurde höchste Zeit mal wieder loszuziehen – vorbereitet oder eben auch nicht.

"Visa on arriva" auf dem Flughafen in Teheren, Iran
Das „Visa on arrival“ für Iran: am Flughafen in Teheran kann ein paar Stunden dauern

TOM // So sind wir in unsere erste kleine Überraschung hineingestolpert: mitten in der Nacht in Iran auf dem Flughafen: Stundenlanges warten auf das Visa on arrival. Bin aber froh, dass ich vorher noch zufällig auf  entdeckt habe, dass Du mit israelischen Stempel in Deinem Pass nicht nach Iran reinkommst und Glück dass Du so schnell noch einen neuen, jungfräulichen Pass bekommen hast. (Auf der Seite des Auswärtigen Amtes findet man da leider nichts dazu, bei TravelWiki aber schon.)

Und dann dieser oberwichtige Beamte vom ersten Schalter auf dem Flughafen: Versicherungscheck. »Haben Sie eine Krankenversicherung für den Iran, Mister?«
– »Ja (froh dass ich das Ding vorher noch ausgedruckt habe), hier steht (ich tippe auf mein Papier), die Versicherung ist weltweit gültig.«
– Pong: »Aber da steht nirgends, dass Wort IRAN? Betretenes Schweigen.
– Ping: »Worldwide is also Iran. You understand.«
– Pong: »Da steht nirgends Iran«
– Ping: »Aber weltweit heißt überall, auf der ganzen Welt, also auch Iran.«
–  Pong. Ping. Pong, Ping: »Ich werde keine neue Versicherung kaufen. Diese Versicherung ist auch für den Iran gültig. Verstehen Sie, es gibt keine spezielle Iran-Versicherung in Deutschland. Die hier gilt auch für den Iran.«
–  Matchball: »Ach, hier haben Sie den Stempel. Gehen Sie jetzt zur Visastelle, da drüben.«
Den erster Satz haben wir gewonnen.

Nächster Schalter, nächstes Gesicht, zum Glück freundlicher. Formular ausgefüllt. Puh. Zum Glück hattest Du die Telefonnummer von unserer ersten Hotel dabei. Dann schon mal an Schalter drei: Vier mal 60 Euro zahlen und dann kann man nur noch warten. Warten. Warten. Aufblicken. Nee noch nicht. Mila: »Mama, weißt Du was unendlich bedeutet?« – »Hmmm? Was?« – »Auf das Visa hier warten. Das ist unendlich

Schatz, vielleicht wollen wir doch beim nächsten Mal das Visa vorher organisieren?

ANNA // Schatz – Du weißt wie wir bei solchen Dingen ticken. (Will heißen: Da glaubst Du doch nicht wirklich daran.) Ich konnte es mir einfach nicht vorstellen, dass man uns in ein Land dem ein solch positiver Ruf vorauseilt mit zwei kleinen Kindern nicht hineinlassen würde. Think positive ;)

Es ist aber vielleicht hilfreich unseren Lesern zu verraten, dass man unbedingt eine Adresse und Telefonnummer braucht, wenn man sich um das Visa bewirbt. Die Beamten telefonieren wirklich mitten in der Nacht herum und checken, ob auch alles stimmt. Eine sicherer und einfacher Weg ist, die Jungs von Iran Paradise zu kontaktieren und keinen Stress mit Visa, Transfer und Hotel zu haben. Man sollte sich spätestens 3 Wochen vorher bei Ihnen melden. Sie könne dann die Visa organisieren und man muss nicht warten. Wir haben sie getroffen und sie machen einen netten und zuverlässigen Eindruck.

Im Restaurant in Teheran, Iran
Im Restaurant in Teheran (Iran) mit den Kindern: Müde von der ersten langen Nacht.

TOM // Du musstest die ganze Zeit das Kopftuch tragen. Wie war das für Dich?

ANNA // Uhhh, das war nicht einfach. Ich mag’s bequem und fühl mich eher mit weniger als mehr Klamotten an meinem Körper am wohlsten. Vor der Reise dachte ich »Wo ist das Problem für so eine kurze Zeit?« Aber ich muss sagen, es war schon wirklich nervig. Und wenn man sich unter den einheimischen Frauen umhört, merkt man, dass viele von ihnen mit dem gleichen Gefühl leben müssen. Doch wenn Mädchen die gezwungen werden ihr Kopftuch abzunehmen sich genauso schlecht fühlen ich mich im Iran, dann habe ich – ganz ehrlich –  auch Mitleid mit ihnen.

TOM // Das Kopftuch – ein Grund nicht in den Iran zu reisen?

ANNA // Nein, natürlich nicht! Die Tatsache, dass man sich lokalen Regeln unterwerfen muss und diese auch am eigenen Leib fühlt macht die Reiseerfahrung eher intensiver, denke ich.

HANNA (6, unsere große Tochter) // Und das nächste Mal werde ich auch ein Kopftuch tragen!

ANNA // Ja, Hanna hat bei unserem Spontanbesuch einer Mädchenschule (in Kaschan/Iran) gelernt, dass die Mädchen das Kopftuch tragen müssen, wenn sie mit 5/6 Jahren in die Schule kommen. Danach hatte sie ein ernsthaftes Dilemma: – »Mama, meinst Du ich muss auch ein Kopftuch tragen? Oder vielleicht doch nicht? Niemand weiß hier, dass ich schon in der Schule bin. Ist es denn erlaubt zu lügen? Aber ist doof mit Kopftuch zu rennen oder zu springen.« Aber, aber, aber….

Hanna, hat Dir der Besuch in der Schule gefallen?

HANNA // Nein! Die Kinder wollten mich alle anfassen und die anderen Fotos von mir machen.

ANNA // Aber das war doch fast überall so Iran – oder nicht?

HANNA // Ja, aber wenn ich gute Laune habe, dann ist es okay und es stört mich nicht.

MILA (5, unsere jüngere Tochter) // Und manchmal bist Du weggerannt oder hast Dich versteckt und dann musste ich für die Fotos lachen.

In Iran the (western) tourist are the real attraction
Im Iran sind westliche Touristen – besonders Familien und Kinder die wahre Attraktion

ANNA //  Und was hat dich gestört im Iran?

HANNA (6) // Taxi fahren (in Teheran). Die fahren wie verrückt – schnell und überall, links, rechts, zwischen den anderen Autos…..

TOM // Oh, ich war eigentlich froh, dass wir diese Taxifahrer hatten und ich nicht selber am Steuer saß.  Ich wollte in Tehran nicht mit meinem Auto fahren müssen. Ich finde selbst in Georgien ist das Fahren noch harmlos dagegen. Ich verstehe jetzt auch, warum die Autoverleiher so teuer sind: die kriegen ihr Auto einfach selten heile zurück.

Das Leben ist einfach manchmal schöner, wenn man weniger hat. Kein Auto, keine Sorgen; erst recht, wenn Taxis und Busse so preiswert sind.

HANNA // Und in der U-Bahn gab es Wagen nur für Frauen. Aber manchmal haben sie uns auch mit Papa in den Wagen gelassen und ansonsten nur Frauen. Papa war der einzige Mann und alle haben geschaut.

TOM // War auch seltsam für mich. Kannst Du mir glauben.

MILA // Und erinnert Ihr Euch: Einmal mussten wir keine Tickets kaufen.

ANNA // Ja, der Mann an der Mann an der Absperrung sagte: »Be my guest«, so mussten wir für die Metro noch nicht einmal bezahlen. Aber das Fahren ist generell preiswert im Iran. Da das Benzin fast nichts kostet (0,25€/Liter), sind auch die langen Reisen mit dem Bus oder Taxi billig.

Das lokale Essen fand ich auch sehr bezahlbar und es war schon fast eine Herausforderung NICHT von Leuten eingeladen zu werden, bei Ihnen zu übernachten. Und Couchsurfing ist so verbreitet – das hat mich wirklich überrascht. Eine kleine Stadt wie Kaschan mit 3.500 Couchsurfing-Profilen. Aber da Facebook geblockt ist und es keine öffentlichen Parties oder Bars gibt, ist Couchsurfing wohl die Art sich zu treffen und auch mit Ausländern ins Gespräch zu kommen. Auf Instagram – auch wenn alle verrückt danach sind – geht das nicht so einfach.

TOM // Und Mädels –  was heut Euch im Iran am meisten gefallen?

HANNA // Durch die Wüste zu rennen!

MILA // Das kleine Kamel. Das war nur zwei Wochen alt und soooo süß und hat mir am Rock genuckelt.

ANNA // Diese kleinen, bewegenden Momente: als der alte Mann auf seinem klapprigen, schwarzen Fahrrad die ganze Straße entlang zu uns fuhr, nur um neben uns anzuhalten uns sein »Welcome to Iran! Ihr wißt gar nicht, wie glücklich ich bin, Euch mit Euren zwei Engeln in meinem Land zu sehen!« – loszuwerden und dann weiter zu zuckeln.

HANNA // Ahh, und der große Berg mit Schnee gleich neben der Stadt (Teheran).

MILA // Und da kann man Ski fahren!

TOM // Ja, das war wirklich beeindruckend: man fährt an den nördlichen Stadtrand, steigt in eine Gondelbahn und plötzlich ist man auf über 3.000 Meter und sieht Leute mit Snowboard, Skibrillen. Wirklich cool. Das fehlt in Berlin irgendwie.

ANNA // Eigentlich sind wir da hochgefahren um die Stadt von oben zu sehen. Aber da war so ein Smog, dass man nichts gesehen hat und die Stadt komplett in einer graubraunen Wolke verschwand. Nur Grau wo eigentlich die Teheran sein sollte und auch auf der Straße fand ich die Luft nur schwer erträglich. So etwas habe ich vorher noch nie erlebt. Jetzt verstehe ich, was Luftverschmutzung wirklich bedeuten kann.

TOM // Und, reisen wir nochmal in den Iran?

HANNA //  Jaaaa. Vielleicht zum Ski fahren?

ANNA // Aber ich kann mir nicht vorstellen hier im Sommer zu reisen. Selbst im Winter, in der eigentlich kältesten Zeit, war es mir mit Kopftuch und langärmligen Pullover schon manchmal zu warm. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie sich das im Sommer bei 30, 40 Grad im Schatten anfühlen muss.

Ich denke Frühling oder Ostern muss wirklich schön sein, wenn alles blüht und sprießt, Alleen in Grün und gleichzeitig kaum Touristen. Ist bestimmt wundervoll.

In der Februarsonne im Iran.
In der Februarsonne im Iran.

 

TOM // Hattest Du je Angst oder ein Gefühl von Bedrohung als Frau? Denn ich selbst habe mich komplett sicher gefühlt.

ANNA // Im Iran hat jeder – auch mit Kopftuch und Jacke – meine grünen Augen und blonden Haare gesehen. Wir sehen so anders aus. Gleichzeitig war es das erste Land in dem ich absolut als Frau respektiert wurde. Ich habe nie auch nur einen „Hey-Mädchen-Blick“ von irgendeinem Mann gespürt. Männer haben mir höchstens Komplimente gemacht, aber immer auf eine absolut metaphorische und respektvolle Art.

Hat Dich irgendetwas gestört?

TOM // Oh, diese ganze Sache mit dem Geld! Einerseits, dass man wegen der Boykotts noch immer keine Kreditkarte benutzen kann. Was wenn man wirklich mal Geld braucht, zum Beispiel für einen Flug oder Krankenhaus? Anderseits dieses Nullen-Hickhack. Offiziell haben sie den Rial. Aber keiner in dem Land denkt und handelt in Rial sondern nur in Toman. , obwohl es das Gleiche ist. Das ist wie man man alle Mark immer in Groschen umgerechnet hätte. Selbst in den Wechselstuben ist der Kurs in Toman ausgewiesen. Das heißt man hat am Ende in der Hand ein paar Millionen mehr als als auf der Anzeige stehen.

Der Taxifahrer will 15 Toman und du weißt am Anfang nicht, was du ihm geben sollst und hast Angst gerade über’s Ohr gehauen zu werden: 15 nee. 15.000 oder wirklich 150.000. Aber sind das nicht 50 Euro? (Die richtige Antwort ist übrigens 150.000 Rial = 15.000 bzw. 15 Toman = ca. 5 Euro). Man muss irgenwie alles durch 10 teilen und sich situationsabhängig noch ein paar Nullen wegdenken. Wird schon. Je schneller man in Toman zu denken beginnt, desto besser.

Neben dem Geld fand ich noch die omnipräsenten Bilder der Imame und der Kriegshelden aus dem Iran-Irak-Krieg („Märtyrer“) und das geblockte Facebook gewöhnungsbedürftig.

Und der Widerspruch zwischen den netten, offenen Menschen und dem Staat in dem sie leben war beeindruckend. Ich habe einmal mehr verstanden, dass man nicht „einen Staat“ (und dem was wir in der Medien über ihn bzw. seine Politiker lernen) mit den Menschen die darin leben (müssen) gleichsetzen darf. Es ist das gleiche Spiel wie mit der Stimmungsmache gegen die islamischen Flüchtlinge. Naja, anders Thema.

ANNA // Aber geanau dafür geht man doch auf letztlich Reisen: um zu mit echten Menschen zu reden, sie zu sehen, fühlen. Das können Dir keine Reiseführer oder deine Politik- und Geschichtsbücher geben.

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Unser erstes Buch ist fertig!

Wir haben unser erstes, eigenes, richtiges Buch herausgegeben – vorerst leider nur auf Polnisch. Mehr zum Buch hier »

One Comment

  • Travis
    Posted September 4, 2016 at 10:17 | Permalink

    Echt eun tolles Land!

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